Mobbing in der Wissenschaft

Richard Parncutt, 2005-2011

siehe auch Kollegiale Leistungskultur an Universitäten

Richard Parrncutt ICMPC 2012

Mobbing (harassment, bullying) gehört zu den wesentlichen Problemen, die moderne Universitäten zu lösen haben, um ihre wissenschaftliche Leistung zu optimieren. Mobbing verschwendet viel Zeit, Energie und Kreativität. Mobbing kommt in den meisten größeren Betrieben vor, es sei denn, wirksame Infrastrukturen wurden schon entwickelt, um Mobbing kurz- und langfristig zu verhindern - was leider noch selten der Fall ist.

Vermutlich werden zu einem gegebenem Zeitpunkt und nach den üblichen Definitionen Hunderte KollegInnen an einer typischen Universität gemobbt (mehr). Sie beschweren sich in der Regel nicht, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben oder glauben, eine Beschwerde wird über kurz oder lang die Situation nur schlimmer machen. Sie haben wahrscheinlich Recht: generell wird Mobbing kaum verstanden und daher auch nicht ernst genommen. 

Dass die wissenschaftliche Leistung einer Universität unter Mobbing leidet, liegt auf der Hand. Das man auch deswegen gegen Mobbing vorgehen sollte, ist offensichtlich. Warum tut man das nicht? Eigentlich sollte man diese Fragen auf allen Ebenen eines Bildungssystems stellen. Zumindest in Österreich geht man in den Schulen oft nicht konsequent gegen Mobbing unter SchülerInnen vor. "Idealistische" Lehrende, die diesem Thema ihre wertvolle Zeit und Energie widmen indem sie z.B. Workshops für SchülerInnen organisieren oder bei konkreten Fällen als MediatorInnen eingreifen, fühlen sich schon gestresst genug und werden von ihren mittelmäßigen KollegInnen ausgegrenzt. Letztere werden durch ihre "Pragmatisierung" und die starken Gewerkschaften geschützt. Doch die Situation ist nicht aussichtslos. Es wäre möglich, Programme für Solidarität und Zivilcourage unter SchülerInnen in die Lehrpläne einzubauen bzw. Lehrende für ihr freiwilliges Engagement in solchen Bereichen finanziell zu entschädigen. Programme für SchülerInnensolidarität bzw. gegen Mobbing würden positiv zur Lebensqualität nicht nur der SchülerInnen, sondern auch der Lehrenden beitragen, die auch unter Umständen selbst gemobbt werden. Man könnte sogar den Erfolg eines solchen Programms in verbesserten Schulleistungen messen können. Dazu wären aber etwas mehr Innovationsfreude, Mut, Internationalität und konstruktive politische Kultur nötig.

Warum wird Mobbing ignoriert? 

Eine Universität tut sich schwer, mit einem Text wie diesem umzugehen. Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum das so ist:

Dabei weiß eigentlich jede/r, was Mobbing ist. Jede/r hat auch klare Fälle von Mobbing erlebt oder geobachtet, z.B. als Schüler/in. Zu den klassischen Romanen, in denen Mobbing eine wichtige Rolle spielt, gehört The Lord of the Flies von William Golding (1954; Deutsch: Der Herr der Fliegen). Die Geschichte in Kürze: eine Gruppe von Buben wird durch einen Unfall auf einer Insel von der Außenwelt isoliert. Zwei der Buben zweigen Führungsqualitäten. Diese geraten aber schnell in Konflikt, da der eine demokratisch, der andere autokratisch vorgehen will. In der Folge werden der Demokrat und seine wenigen Anhänger vom Autokrat und seinen zahlreichen Anhängern gemobbt. Ein Anhänger des Demokrats wird sogar getötet, bevor die Kinder von Erwachsenen gerettet werden. Wenn Erwachsene mobben, ist eine Rettung dieser Art leider nicht möglich. 

Definitionen vom Mobbing

Mobbing kann als Gegenteil von Kollegialität betrachtet werden. Deutschsprachige Definitionen von Mobbing sind vielfältig (vgl. Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Juracity, Anti-Mobbing-Network, Institut für Neues Lernen, Mobbing Help, Mobbing-U.S.A). Zum Beispiel definiert der (deutsche) Verein für Arbeitsschutz und Gesundheit durch systemische Mobbingberatung und Mediation Mobbing wie folgt: "Negative (kommunikative) Handlungen am Arbeitsplatz werden systematisch und zielgerichtet betrieben und wiederholen sich in regelmäßigen und unregelmäßigen Zeitabschnitten. Dabei ist der/die Angegriffene derjenige/diejenige über den/die tiefer liegenden betrieblichen Probleme ausgetragen werden."

In Anlehnung an die Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing definiert der Deutsche Gewerkschaftsbund Mobbing etwa als eine konfliktbelastete Kommunikation, bei der eine Person (oder auch mehrere Personen) von einer Person (oder mehreren Personen)

Aus einer solchen Definition geht hevor,

Weiteres zu den fünf Punkten:

Charakteristisch für Mobbing unter WissenschaftlerInnen (academic mobbing) sind auch folgende Aspekte nach Westhues:

  1. By standard criteria of job performance, the target is at least average, probably above average.
  2. Rumours and gossip circulate about the target’s misdeeds: “Did you hear what she did last week?”
  3. The target is not invited to meetings or voted onto committees, is excluded or excludes self.
  4. Collective focus on a critical incident that “shows what kind of man he really is.”
  5. Shared conviction that the target needs some kind of formal punishment, “to be taught a lesson.”
  6. Unusual timing of the decision to punish, e. g., apart from the annual performance review.
  7. Emotion-laden, defamatory rhetoric about the target in oral and written communications.
  8. Formal expressions of collective negative sentiment toward the target, e. g. a vote of censure, signatures on a petition, meeting to discuss what to do about the target.
  9. High value on secrecy, confidentiality, and collegial solidarity among the mobbers.
  10. Loss of diversity of argument, so that it becomes dangerous to “speak up for” or defend the target.
  11. The adding up of the target’s real or imagined venial sins to make a mortal sin that cries for action.
  12. The target is seen as personally abhorrent, with no redeeming qualities; stigmatizing, exclusionary labels are applied.
  13. Disregard of established procedures, as mobbers take matters into their own hands.
  14. Resistance to independent, outside review of sanctions imposed on the target.
  15. Outraged response to any appeals for outside help the target may make.
  16. Mobbers’ fear of violence from target, target’s fear of violence from mobbers, or both. 

Bei dieser Liste handelt es sich nicht um eine weitere Definition von Mobbing, sondern lediglich um eine Beschreibung typischer Mobbingfälle in der Wissenschaft. In verschiedenen Fällen werden verschiedene Punkte in der Liste erfüllt, andere nicht. Um zu beweisen, dass Mobbing vorliegt, braucht man keine Beschreibung, sondern eine Definition. Die oben genannte Definition besteht aus fünf Punkten - Überlegenheit, Häufigkeit, Angriffe, Ausgrenzung und Diskriminierung. Diese können auch auf einer höheren Ebene auf einen einzigen Punkt gebracht werden: Mobbing ist eine geheime, bewusste, konsequente, langfristige Aktion, eine Person oder Gruppe loszuwerden, die als Bedrohung empfunden wird - aber eigentlich unschuldig ist. Dabei wird der Versuch unternommen, der/die "bedrohende/n" Person/en  auszugrenzen ächten, verbannen; kündigen, dazu bringen, selbst zu kündigen; in eine andere Abteilung schicken) bzw. mundtot zu machen - dadurch, dass sie aus Angst vor weiteren Angriffen gehorsam (obrigkeitshörig, unterwürfig, folgsam, lenkbar) oder krank werden (psychologisch, gesellschaftlich bzw. medizinisch; z.B. Burnout).  Es handelt sich also im weitesten Sinne um Diskriminierung und Meinungsfreiheit, d.h. eine Verletzung der Menschenrechte.

Mobbinguntersuchungen sind Präventivmaßnahmen. Mobbingfälle sind rechtzeitig zu untersuchen - bevor es zur Ausgrenzung oder Mundtotmachung kommt. Das heißt wiederum, dass psychologische oder medizinische Krankheit nicht zu den Kriterien gehören dürfen, nachdem Mobbing untersucht wird. Bei Krankheit sollte man selbstverständlich handeln - aber man hätte auch viel früher handeln sollen. Mobbing ist eine Handlung; sie darf nicht mit dem Ergebnis einer Handlung verwechselt werden. Egal, welche Auswirkungen eines Mobbingfalls haben mag: Mobbing ist immer inakzeptabel und sollte immer verhindert werden.

Der Unterschied zwischen Mobbing und einem gewöhnlichen Konflikt

Es ist in der Regel nicht leicht, zwischen Mobbing und einem gewöhnlichen Konflikt zu unterscheiden. MobberInnen sprechen selten ihre wahren Beweggründe ehrlich aus. Es geht nicht immer klar aus einer Dokumentation der zeitlichen Reihenfolge der Ereignisse hervor, welche Aktion ein Angriff und welche eine Verteidigung war. 

Der Unterschied zwischen Mobbing und einem gewöhnlichen Konflikt liegt in der Asymmetrie. Nur auf einer Seite:

Aus diesen Gründen ist es irreführend und für das/die Opfer möglicherweise auch beleidigend oder rufschädigend, das Wort "Konflikt" oder "Streit" zu verwenden, wenn es sich vermutlich um Mobbing handelt.

Wer sich über Mobbing beschwert, wird oft missverstanden. Ihm oder ihr wird vorgeworfen, selbst zum Streit beigetragen zu haben, denn "zum Streiten gehören immer zwei". Wer selbst nie gemobbt wurde, versteht verständlicherweise die Ernsthaftigkeit eines Mobbingvorwurfs nicht. Er oder sie glaubt nicht, dass es möglich, realistisch oder passend ist, zu versuchen, MobberInnen zu identifizieren und gegen Mobbing vorzugehen.

Es ist aber durchaus möglich, völlig unschuldig in eine schwere Konfliktsituation zu geraten:

 MobbingakteurInnen

Die AktuerInnen in einem typischen Mobbingspiel spielen folgende Rollen:

Ursachen und Wirkungen von Mobbing

Die Ursachen von Mobbing sind zum Teil personen- und zum Teil situationenbezogen:

Auch die Wirkungen von Mobbing sind z.T. personen- und z.T. situationenbezogen:

Zur Schuldfrage: Gewöhnlich behaupten alle Beteiligten, dass sie unschuldig sind. Wenn es sich aber wirklich um Mobbing handelt, ist/sind nur die gemobbte/n Person/en unschuldig. Schuld für die Folgen von Mobbing trägt hauptsächlich die/der Mobber/in. Diese Schuld wird aber auch von den MitläuferInnen mitgetragen. Zur Opfermentalität von MobberIn und MitläuferInnen gehört, dass sie die Verantwortung für Ihr Tun nicht übernehmen. So kann es vorkommen, dass sie versuchen, die gemobbte Person zu zwingen, Schuld (oder Mitschuld) einzugestehen.

Fehler, Kreativität und Mobbing

Wer eine/n Kolleg/in mundtot machen, psychologisch zerstören oder loswerden will, findet in den folgenden Zeilen einige Tipps. Mein Ziel ist selbstverständlich nicht, MobberInnen zu unterstützen, sondern zu erklären und hervorzuheben,

In den meisten Universitäten und anderen großen Betrieben der Welt ist zurzeit für Personen in Leitungspositionen erstaunlich einfach, andere zu mobben, ohne persönliche Konseqenzen zu fürchten. Denn Gemobbte sind oft kreative, konstruktive, ehrliche, aufrichtige Menschen, die deswegen von anderen als Bedrohungen wahrgenommen werden; und jeder Mensch - und insbesondere jeder kreative Mensch - macht regelmäßig Fehler. Fehler können sogar als einen wesentlichen Aspekt eines jeden kreativen Vorgangs betrachtet werden:

"In creative problem-solving, a mistake is an experiment to learn from, valuable information about what to try next. People ... are often afraid of making mistakes, which can be embarrassing, even humiliating. But if you take no chances and make no mistakes, you fail to learn, let alone do anything unusual or innovative. Research suggests that creative people make more mistakes than their less imaginative peers. They are not less proficient - it's just that they make more attempts than most others. They spin out more ideas, come up with more possibilities, generate more schemes. They win some; they lose some." (Goleman & Kaufman, 1992)

Es ist immer möglich und gar nicht so schwer, aus den vielen kleinen Fehlen eines kreativen Menschen das Bild eines inkompetenten oder sogar bösartigen Menschen zu konstruieren. Man braucht nur die Fehler und ihre Implikationen zu übertreiben und dahinter entweder Inkompetenz oder bösartige Absichten (oder beides) zu vermuten. So kann eine fähige, hilfsbereite, kooperative Person, die das Potenzial hat, einen außerordentlichen Beitrag zu ihrem Bereich bzw. zu ihrem Umfeld zu machen, leicht in Verruf gebracht werden.

Da in diesem Szenario der/die Mobber/in eigentlich der/die bösartige (und deswegen auch inkompetente) Spieler/in ist, handelt es sich hier um ein Beispiel des für Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit typischen Phänomens des Täter-Opfer-Umkehrs, in dem der/die Täter/in sich als Opfer des Opfers, präsentiert und fühlt.

Mobbing, Bildung und Wissenschaft

An Universitäten kommt Mobbing erstaunlich häufig vor. Als Forschungsgegenstand wird es dem Fach Soziologie zugeordnet (siehe z.B. Forschungen von Kenneth Westhues). WissenschaftlerInnen, die im Rahmen ihrer Forschung bestehende wissenschaftliche Machtstrukturen infrage stellen oder gefährliche oder unmoralische Aktivitäten aufdecken (auch Whistleblower genannt), werden häufig gemobbt (Beispiele: Wilhelm Reich, GegnerInnen genetisch veränderter Nahrungsmittel, ForscherInnen im Bereich des Klimawandels).

In Österreich wird Mobbing seit längerer Zeit auf verschiedenen Bildungsebenen beobachtet. Im 23. Bericht über die Tätigkeit der österreichischen Volksanwaltschaft im Jahr 1999 an den Nationalrat und den Bundesrat schrieb z.B. die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Folgendes:

Wie schon in den vergangenen Jahren (VA 44-UK/93, 13-UK/96), war die VA auch im Berichtszeitraum (VA 24-UK/99, 34-UK/99, 45-UK/99, 47-UK/99) mit Beschwerden von Lehrern konfrontiert, die seitens ihrer Lehrerkollegen bzw. der Schulleiter massiven Schikanen ausgesetzt sind. Vor allem eigenwillig denkende, selbstbewusst auftretende Lehrer, die nicht immer mit der Meinung ihrer dienstlichen Vorgesetzten konform gehen, aber auch Lehrer, die an ihre Schüler besonders hohe Anforderungen stellen, sind davon betroffen. Die Fälle, in denen versucht wird, unliebsame und unangepasste Lehrer gegen ihren Willen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, häufen sich. Oft werden in die Auseinandersetzungen auch Schüler und deren Eltern hineingezogen. Schüler werden gegeneinander ausgespielt und Eltern polarisiert, sodass letztendlich die gesamte Schulgemeinschaft mit erheblichen Spannungen belastet wird.

Mobbing stellt eine Gefahr für die Wissenschaft dar, denn:

Warum soll man gegen Mobbing vorgehen?

Whistleblower (HinweisgeberInnen, SkandalaufdeckerInnen) fördern die wissenschaftliche Qualität und Effizienz einer Universität. Sie halten die MachtträgerInnen auf verschiedenen Ebenen daran, ehrlich zu sein und sich an Vereinbarungen und Leitbildern zu halten. Sie informieren KollegInnen oder die Öffentlichkeit über unkorrekte Vorgehensweisen sowie über Schäden und Risiken, die von ihrem Betrieb oder ihrer Institution ausgehen. Im Interesse des Gemeinwohls und der Universität riskieren Whistleblower Mobbing, Erpressung, Arbeitslosigkeit und ihre körperliche und geistige Gesundheit.

Daraus folgt, dass ein Betrieb im eigenen Interesse Whistleblowing unterstützen und sogar in ihre Abläufe integrieren soll. Leider passiert oft genau das Gegenteil: WhisteblowerInnen werden gemobbt und das Mobbing wird sogar durch die Leitung des Betriebs passiv unterstützt. Die Leitung läuft mit, indem es bewusst nichts dagegen unternimmt.

Schließlich bedeutet Mobbing einen großen Verlust an Zeit, Energie und Kreativität. Wenn KollegInnen, die jeweils mit allen Nebenkosten den Steuerzahlenden mehr als 100.000 Euro im Jahr kosten, über Jahre einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit in einem sinnlosen Konflikt verschwenden, werden Hunderttausende Euro effektiv verschwendet. Viele wissenschaftliche Leistungen in Forschung und Lehre gehen verloren. Auch deshalb sollte man konsequent gegen Mobbing vorgehen. Die Kosten einer guten Untersuchung werden in jedem Fall viel kleiner sein, als die effektiven Kosten, die aus dem Mobbing entstehen.

Kriterien für die Untersuchung von Mobbingfällen

Das erste, was getan werden soll, wenn Mobbing vorgeworfen wird, ist der angeblichen gemobbten Person Unterstützung anzubieten. Dazu gehört Aufklärung über die Definition von Mobbing und über bestehende Instrumentarien gegen Mobbing. Jede/r, der/die sich über Mobbing beschwert, könnte traumatisiert sein. Bei jeder wesentlichen Diskussion oder Sitzung sollte ihm/ihr sollte kostenlose Begleitung durch eine fachkundige, erfahrene Person (z.B. aus dem Betriebsrat) angeboten werden. 

Der zweite Schritt ist natürlich die Untersuchung des Mobbingvorwurfes. Weil Mobbing so komplex sein kann, müssen Mobbingvorwürfe objektiv und fachkundig untersucht werden. 

Ein echtes Mobbingopfer wird Angst haben, dass trotz allen Bemühungen diese Punkte zu erfüllen die untersuchende Person entweder nicht ganz objectiv oder nicht ganz kompetent ist, was zu einer Ablehnung des Mobbingvorwurfes führen könnte. Aus diesem Grund sollte die angeblich gemobbte Person auch bei Treffen mit der untersuchenden Person auch eine kostenlose Begleitung durch eine fachkundige, erfahrene Person angeboten werden. Das klingt teuer, kann aber letzlich billiger sein, weil die Begleitperson helfen kann, die zentralen Fragen auf den Punkt zu bringen.

Die erste Frage bei der Untersuchung eines Mobbingvorwurfes sollte heißen: Handelt es sich um Angriffe? Oder lediglich um feindselige Interaktionen? In einer allgemeinen Definition sind Angriffe (oder Attacken) Versuche, auf Kosten von anderen den eigenen Einflussbereich aktiv auszudehnen. Es muss also untersucht werden, (i) ob die Feindseligkeiten auf Kosten der offenbar gemobbten Person/en erfolgten, und (ii) ob durch das Mobbing eine Ausdehnung des Einflussbereiches der mutmaßlich mobbenden Person/en erfolgte oder hätte erfolgen können.

Sollte aus dieser Analyse klar hervorgehen, dass es sich wiederholt über einen längeren Zeitraum um Angriffe handelt, kann die zweite Frage gestellt werden. Diese lautet: Wurde in beiden Richtungen angegriffen? Eine gemobbte Person darf und soll sich gegen Angriffe verteidigen. Solange die Wirkung der Angriffe von der einen Seite schwerwiegende sind als die Wirkung der Angriffe von der anderen Seite, und solange die Angriffe von der einen Seite als Verteidigung gegen frühere Angriffe von der anderen Seite verstanden werden können, kann es sich trotzdem um Mobbing handeln.

Der Endbericht sollte relativ kurz sein (ca. 10 Seiten), damit möglichst viele der betroffenen Menschen ihn auch lesen. Der Begriff soll mit der angenommenen Definition von Mobbing beginnen und sich vorwiegend der Fragen widmen, inwieweit diese Definition durch belegbare Tatsachen und Beobachtungen erfüllt wird. Der Bericht kann auch Lösungsvorschläge enthalten, diese sollen aber klar von der Untersuchung des Mobbingvorwurfes getrennt werden. Die Umsetzung von Lösungsvorschlägen soll auch ein einem klar abgetrennten Vorgang erfolgen.

Nach der Untersuchung: Strategien gegen Mobbing

Sollte ein Mobbingvorwurf bestätigt werden, sollte man auf passende Art und Weise und in Absprache mit der gemobbten Person:

Alle drei Punkte sind wichtig und kein Punkt darf weggelassen werden!

Wirkt Mediation gegen Mobbing?

Gewöhnliche Konflikte können durch Mediation gelöst werden, vorausgesetzt, dass beide Parteien eine Lösung anstreben. Bei einer Mediation bleiben die Streitbeteiligten für alle Entscheidungen selbst verantwortlich. Sie werden dabei von einer neutralen, dritten Person unterstützt. Diese versucht, die Gründe für die Auseinandersetzung bewusst zu machen. Auf dieser Grundlage leitet sie Verhandlungen, wobei die Streitbeteiligten lernen, kollegial miteinander umzugehen. Am Ende dieses Vorgangs entstehen Vereinbarungen, zu denen beide Parteien zustimmen.

Ob Mobbing durch Mediation eingestellt werden kann, ist fraglich (Karazmann, 2000), weil nur eine der beiden Parteien eine Lösung anstrebt. Ein/e Mobber/in wird in der Regel nicht zugeben, gemobbt zu haben und er/sie wird auch nicht bereit sein, die Vorgänge zu untersuchen die dazu geführt haben, mit dem Ziel Mobbing zukünftig zu vermeiden. Eine Mediation kann sogar zu einer Verschlechterung der Situation beitragen: wenn die gemobbte Person ehrlich über die Hintergründe des Konflikts redet, eröffnet sie neue Angriffsflächen, die nach der Mediation von dem/der Mobber/in ausgenutzt werden können.

Bestehende Instrumentarien und Verfahren gegen Mobbing

Instrumentarien gegen Mobbing sind keine Modeerscheinung: 

Die derzeitige Rechtslage im Bezug auf Mobbing in Österreich und anderen Ländern ist nicht ausreichend. Ob Mobbing effektiv eingestellt wird oder nicht, hängt noch immer stark vom guten Willen der Betriebsleitung ab. Eine Universität kann effektiv gegen Mobbing vorgehen, indem sie zu diesem Zweck ein professionelles Instrumentarium schafft und ein geeignetes Verfahren entwickelt. Zu einem solchen Verfahren gehört in einem ersten Schritt die Feststellung, ob bzw. inwieweit Mobbing vorliegt und, wenn ja, in einem zweiten Schritt geeignete Maßnahmen, um das Mobbing einzustellen (was nach Karazman 2000 meistens in Form einer Trennung erfolgt). Parallel dazu können interne Weiterbildungskurse für Führungskräfte und andere wesentlich dazu beitragen, dass Mobbing langfristig verhindert oder korrigiert wird. Selbstverständlich eignen sich verurteilte Mobber/innen nicht für Leitungsfunktionen.

An vielen Universitäten und in vielen Firmen ist es noch nicht üblich, Kollegialität gezielt zu fördern und Mobbing systematisch zu verhindern. Mehrere Gremien an meiner Universität hätten die Möglichkeit, gegen Mobbing vorzugehen, doch hat keines davon einen klaren Auftrag: 

Im Internet kann man viele Internetseiten von einzelnen Universitäten zum Thema Mobbing in der Wissenschaft finden. Viele Universitätsmitglieder versuchen auf diese Weise gegen Mobbing (harassment, bullying, harcèlement...) und Diskrimierung vorzugehen.

Nachwort: Warum wird Mobbing toleriert oder ignoriert?

Warum wird derzeit so wenig gegen Mobbing unternommen? Es ist doch bekannt, dass

Der Grund mag darin liegen, dass etliche universitäre AmtsinhaberInnen selbst MobberInnen sind oder - bewusst oder unbewusst - in diese Richtung tendieren. Für einige gehört Mobbing zu den gängigen traditionellen Methoden, Macht zu ergreifen, Hierarchien zu erhalten oder stärken und auf diese Weise an der Macht zu bleiben. Es wäre naiv zu erwarten, dass solche KollegInnen eine Aktion gegen Mobbing tatkräftig unterstützen würden. Ebensowenig kann man erwarten, dass auch aufmerksame, wohlwollende KollegInnen sich als MobbinggegnerInnen profilieren werden, denn erstaunlich viele sind schon gemobbt worden oder haben Mobbing miterlebt. Sie haben begründete Angst davor, selbst (wieder?) gemobbt zu werden. Diejenigen Mitglieder einer Universität, die theoretisch bereit wären, Konkretes gegen Mobbing zu unternehmen, sind in der Regel kaum dazu in der Lage, weil sie entweder ohnehin wenig Einfluss haben oder das Risiko eingingen, ihren Einfluss zu verlieren, sollten sie offen gegen Mobbing vorgehen.

Trotz dieser schwierigen Situation kann eine internationale Entwicklung gegen universitäres Mobbing konstatiert werden. Die unzähligen Websiten zum Thema Mobbing an Universitäten (s.o.) dürfen als Beweis für einen langsamen aber sicheren Fortschritt betrachtet werden. Offenbar arbeiten viele zivilcouragierte Individuen hinter den Szenen für das Gemeinwohl und im Interesse der wissenschaftlichen Produktivität ihrer Institution. Obwohl diese kleinen HeldInnen beträchtliche persönliche Risiken eingehen, werden ihre Leistungen in der Regel nicht von der Obrigkeit anerkannt. Ihre wichtige Arbeit wird eher behindert oder in unbehaglicher Stille beobachtet.

Die Universitäten werden allmählich keine Wahl haben, als im eigenen Interesse bei dieser internationalen Entwicklung mitzumachen. Um das zu erreichen, wird es nicht nötig sein das Rad neu zu erfinden, sondern sich lediglich mit den zahlreichen veröffentlichten Richtlinien anderer Universitäten auseinanderzusetzen und Ähnliches zu implementieren.

Literatur

D. Goleman, D., & Kaufman, P. (1992). The art of creativity. Psychology Today, March. (Document ID: 1903).

Karazman R. (2000). Mediation bei Mobbing am Arbeitsplatz: Paradoxon, Kontraindikationen, Bedingungen, Versuche (S. 237-249). In E. Töpel & A. Pritz (Hrsg.), Mediation in Österreich. Wien.

Musger-Krieger, A. (2005). Aktiv gegen Mobbing! Mit dem ÖGB Mobbing die Stirn bieten. Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB).

Acknowledgments

I realised after writing this that the contents of this page had been inspired by my contact with the following scholars, each of whom exemplifies for me the ideal of performance-oriented collegiality (or "kollegiale Leistungskultur"): Al Bregman, Eric Clarke, Neville Fletcher, Gary McPherson, Kazue Semba, John Sloboda, and Diana Weekes. The length of this list of colleagues is arbitrary and many others could have been included.

Rückmeldung

Im Jahr 2012 habe ich folgende Rückmeldung zu diesem Artikel erhalten. Der Autor war auch mit der anonymen Veröffentlichung einverstanden.

Sehr geehrter Herr Parncutt,

faszinierend lese ich Ihren Artikel, auf den ich durch eine konkrete Suche nach »Mobbing« und »Universität« gestoßen bin.Obwohl ich Mathematiker bin, beschäftige ich mich viel mit Kommunikation und Psychologie, weil ich sonst hoffnungslos scheitern würde, wollte ich menschliches Verhalten auch nur versuchen zu erklären.

Konkret fällt mir zum Stichwort »Nationalsozialismus« Arno Gruens Buch »Der Wahnsinn der Normalität ein«. Um das Buch geht es mir aber nicht, sondern um die Problematik, was als Normal angesehen wird. Insbesondere in Österreich fällt mir auf, dass selten konstruktive Kritik geübt wird. Vielleicht auch aus der Resignation, dass sich ohnehin nichts ändern würde.

Aber was passiert nun, wenn doch jemand etwas sagt? Dann wird dieser jemand als der/die einzige hingestellt ...
Der Druck, der so entstehen kann ist enorm (dabei habe ich Erich Fromms »Anatomie der menschlichen Destruktivität« im Hinterkopf, in dem ausführlich Gruppendynamik beschrieben wird).

Erfahrungen habe ich viele, auch in internationalen Konzernen gemacht. Jetzt fällt mir aber immer mehr auf, welches kreative Potential in Universitäten brachliegt. Von Erich Fromm gibt es einen schönen Artikel: »Der kreative Mensch«

Wie sehen Sie den Zusammenhang (so es einen gibt) zwischen dem Druck eine lineare wissenschaftliche Karriere zu machen (und dabei nicht anzuecken) und der Bagatellisierung von Mobbing?


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